Alte Sprachen im Unterricht und naturwissenschaftliche Bildung
Das Potential eines Schulfaches lässt sich durch die interdisziplinäre Vernetzung mitanderen Schulfächern erhöhen, Synergieeffekte können erzeugt werden. In diesem Sinne ist es auch möglich, die Fächer Latein und Altgriechisch mit naturwissenschaftlichen Fächern zu verknüpfen. Denn Naturwissenschaft entsteht nicht nur in der Antike, sondern die Antike wirkt bis heute in der Naturwissenschaft fort, in Form von Fachbegriffen, über Denkmodelle bis hin zu methodischen Prinzipien.
Um einen sinnvollen Einsatz naturwissenschaftlicher Texte im altsprachlichen Unterricht zu ermöglichen, müssen zunächst gemeinsame Schnittmengen und Anküpfungspunkte, aber auch Problem bei der Zusammenarbeit ausfindig gemacht werden. Gemeinsame Schnittmengen lassen sich etwa über historische Bezugspunkte herstellen (etwa die Rezeption der antiken Biologie in der Moderne) oder gemeinsame Probleme; beispielsweise die schwierige Klassifikation mancher Tierarten bei Aristoteles (4. Jahrhundert), Conrad Gessner (16. Jahrhundert) und Richard Owen (19. Jahrhundert) und deren Auflösung. Ein Problem bei der Zusammenarbeit stellt natürlich der Text selbst dar, der zunächst philologisch erschlossen werden muss (was aufgrund des naturwissenschaftlichen Inhalts bisweilen schwierig erscheint) und dann erst nutzbar für didaktische Überlegungen gemacht werden kann.
Gelingt der – theoretisch fundierte und auf die Praxis hin orientierte – Schulterschluss zwischen der Didaktik der alten Sprachen und derjenigen der Naturwissenschaften, so erweitert dies nicht nur die Menge an potentiellen ‚Schultexten‘, sondern auch die dargebotene Themenvielfalt im Rahmen des altsprachlichen Unterrichts.
Weiterführende Literatur:
Humar, Marcel (2023), Naturwissenschaftlicher Unterricht, in: Kipf, Stefan/Schauer, Markus (Hrsg.), Fachlexikon zum Latein- und Griechischunterricht, Tübingen: Narr Francke Attempto, 556-559.
Humar, Marcel (2015), Nature of Science (NOS) – Mögliche Beiträge der alten Sprachen, in: Pegasus–Onlinezeitschrift 15 (2), 73-88.