Humboldt-Universität zu Berlin - Sprach- und literaturwissenschaftliche Fakultät - Institut für Klassische Philologie, HU Berlin

Literarisches Lernen

Ein zentraler Bereich unserer Forschungsaktivitäten besteht in der Frage, wie literarisches Lernen und die Adressierung und gezielte Förderung der Literaturkompetenz im altsprachlichen Unterricht gestaltet werden kann. In zahlreichen Publikationen wurde ein entsprechendes Konzept entfaltet:

„Eine zentrale Aufgabe des Lateinunterrichts (LU) besteht darin, seinen Schülerinnen und Schülern die Lektüre lateinischer Literatur aus Antike, Mittelalter und Neuzeit zu ermöglichen. Dabei kommt es nicht darauf an, den Erfolg dieser Begegnung allein durch die Entwicklung einer funktional ausgerichteten, auf die Erschließung lateinischer Texte ausgerichteten Textkompetenz sicherzustellen oder sogar der Beschäftigung mit lateinischer Literatur lediglich eine dienende Funktion zum Erwerb sprachlicher und methodischer Kompetenzen zuzuweisen.

Eine dominierende Schwerpunktsetzung auf den Bereich der Textkompetenz ist kein Ersatz für literarische Bildung, der Fähigkeit, freudvoll, kreativ und bewusst mit Literatur umzugehen. Vielmehr muss das Lernen mit, durch und über Literatur systematische Aufmerksamkeit erhalten, und zwar als eine spezifische Form des Kompetenzerwerbs, bei dem auch ästhetische, affektive und reflektierende Komponenten eine besondere Bedeutung erhalten. LU ist immer auch Literaturunterricht, bei dem Erschließung, Übersetzung und Interpretation eine enge und produktive Verbindung eingehen. Damit der Erwerb einer Literaturkompetenz im Unterricht gelingen kann, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein: So sollten Lehrkräfte über Grundkenntnisse einschlägiger literaturwissenschaftlicher Analyseinstrumente verfügen, um literarische Texte multiperspektivisch, über den traditionellen textimmanenten Zugang hinaus, für den Unterricht fachwissenschaftlich zu erschließen. Zugleich sollten fachdidaktische Konzepte zur Anwendung kommen, die es erlauben, genaue Textwahrnehmung und subjektives Erleben der Lernenden in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Auf diese Weise sollte es möglich sein, auch offenere Interpretationszugänge und -ergebnisse zuzulassen, die sich einer allzu schematischen Richtig-Falsch-Bewertung entziehen.“
(Stefan Kipf/Ulrich Schmitzer (2021), 133.)

Zum Weiterlesen:

Stefan Kipf (2015). ... und wo bleibt die Literatur? Gedanken zum Kompetenzerwerb im altsprachlichen Unterricht, Forum Classicum 2, 70-83.
https://www.altphilologenverband.de/forumclassicum/pdf/FC2015-2.pdf

Stefan Kipf (2019). Geschichte des altsprachlichen Literaturunterrichts. In: Chr. Lütge (Hrsg.): Grundthemen der Literaturwissenschaft: Literaturdidaktik. De Gruyter, Berlin/Boston 2019, 15-46.

Stefan Kipf/Ulrich Schmitzer (2021). In: Mit Ulrich Schmitzer: Literaturkompetenz, in: Ulf Jesper, Stefan Kipf, Thomas Riecke-Baulecke (Hrsg.): Basiswissen Lehrerbildung: Latein unterrichten, Klett /Kallmeyer, 2021, 133.