Didaktik der Sicherung für den schulischen Lateinunterricht
Studiendirektor Dr. phil. Hans-Joachim Häger (Habilitand)
Prof. Dr. Stefan Kipf (Mentorieller Begleiter)
Wenn Wissen und Fähigkeiten nicht über den Moment hinaus Bestand haben, dann scheitert Bildung an ihrem ureigenen Anspruch. Vor diesem Hintergrund rückt die Frage der Nachhaltigkeit von Lernprozessen im bildungswissenschaftlichen und fachdidaktischen Diskurs in den Fokus, da Nachhaltigkeit explizit auf langfristig angelegte Bildungs- und Lernprozesse zielt. Bildung ist kein ephemeres Konstrukt, sondern verlangt nach Tiefenstrukturen, die über die momentane Rezeption hinaus fortbestehen. Lernprozesse sind dann nachhaltig, wenn sie nicht nur abrufbar bleiben, sondern in der kognitiven Architektur der Lernenden verankert sind und deren Reflexionsfähigkeit stärken und sie zugleich zu einem kritisch-diskursiven Umgang mit Wissen befähigen (vgl. dazu exemplarisch Hörsch & Scharenberg & Waltner & Rieß [2023]). Mit anderen Worten: Nachhaltigkeit in der Sicherung von Lernprozessen und Arbeitsergebnissen bedeutet nicht nur die Wiederholung von Wissen, sondern eine didaktische Rahmung, durch die Wissen in die kognitiven Netzwerke der Lernenden integriert und durch aktive Anwendung stabilisiert wird (vgl. dazu auch Bergmüller & Taube [2023]).
Aus diesen Vorüberlegungen leitet sich folgende, für die Lehrkräftebildung in Deutschland – auch bezogen auf das Fach Latein – wesentliche Erkenntnis ab: Nachhaltig gesicherte Lernprozesse und Arbeitsergebnisse erfordern eine professionelle Planung und Gestaltung durch Lehrkräfte, deren Expertise im Sinne einer reflektierten Fachlichkeit fachwissenschaftliche, fachdidaktische und bildungswissenschaftliche Prinzipien umfasst (vgl. dazu auch Bonnet [2019] und Fuchs [2023]). Dabei geht es nicht nur um den reinen Wissenstransfer, sondern um die Fähigkeit, Lernprozesse adaptiv an die Bedürfnisse Schülerinnen bzw. Schüler anzupassen (vgl. dazu auch Häger [2021]). Es liegt auf der Hand, dass diese Notwendigkeiten hohe Anforderungen an die Lehrkräfte stellt (vgl. dazu auch Häger [2021] und Helmke [2022]).
Die auf Nachhaltigkeit angelegte Sicherung unterrichtlicher Lernprozesse ist keine didaktische Option, sondern eine pädagogische Notwendigkeit. Zugleich stellt die auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Festigung des Lern- und Wissensstoffes – das ist opinio communis in der Forschung – ein zentrales Merkmal für Unterrichtsqualität dar (vgl. dazu exemplarisch Helmke [2022]). Dies wiederum erfordert ein verstärktes interdisziplinäres Zusammenwirken von Fachwissenschaft, Fachdidaktik und Bildungswissenschaft unter besonderer Berücksichtigung der Erkenntnisse der Unterrichtspsychologie. Diesbezüglich macht das angezeigte Habilitationsprojekt – zumindest für das Fach Latein – einen ersten Aufschlag, indem es sich mit der in der altsprachlichen Fachdidaktik bislang (zu) wenig diskutierten Frage auseinandersetzt, wie ein verstehensorientierter und auf Nachhaltigkeit zielender Lateinunterricht Lernprozesse initiieren und langfristig sichern kann.
In diesem Kontext darf mit Blick auf den Dreischritt Einstiegsphase – Erarbeitungsphase – Ergebnissicherung, der gemeinhin als methodischer Grundrhythmus einer Unterrichtsstunde bezeichnet wird, der Stundenausstieg keinesfalls unterschätzt werden. Denn letztlich führt der im Stundeneinstieg ausgerollte sog. rote Faden in einem organisch angelegten Unterricht über die Erarbeitungsphase hinweg zur Ergebnissicherung, in der sich ein echter Lernfortschritt auf Seiten der Schülerinnen und Schüler widerspiegeln muss. Dies wiederum bedingt, dass die Phase der Ergebnissicherung nicht bei der reinen Präsentation der zuvor erarbeiteten Unterrichtsergebnisse verharren darf, sondern im letzten Drittel der Unterrichts(doppel)stunde in eine vertiefende, anwendungsorientierte und intelligent gestaltete Übungs- bzw. Transferphase einzumünden hat.
Doch wenngleich die zentrale Bedeutung der Ausstiegsphasen im Rahmen jeder Unterrichtsplanung unbestritten ist, fehlt es dem Fach Latein an einer "Didaktik der Sicherung", die sich mit den Herausforderungen einer nachhaltigen Ergebnissicherung im Lateinunterricht wissenschaftsbasiert auseinandersetzt. Diesem in Umfragen von Lateinlehrkräften formulierten Desiderat soll mit dem angezeigten, als qualitative Forschungsstudie angelegten Habilitationsprojekt entgegengewirkt werden, wobei nach der vorgeschalteten Erläuterung der didaktischen Gütekriterien für eine nachhaltige Ergebnissicherung verschiedene Typen von Stundenausstiegen anhand konkreter Praxisbeispiele präsentiert und reflektiert werden. Dabei liegt der Fokus auf der verstehens-, anwendungs- und transferorientierten Gestaltung von Stundenausstiegen – eine Gestaltung, die einem motivierenden, lernwirksamen und auf die verschiedenen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler abzielenden Lateinunterricht gerecht wird. In diesem Kontext sollen sowohl analoge als auch digitale Hilfsmittel mitgedacht und reflektiert werden.